Wasserstrategie setzt auf Verursacherprinzip und Vorsorge in allen wasserabhängigen Sektoren


Das Vorsorgeprinzip und das Verursacherprinzip sollen in Zukunft in allen wasserabhängigen Sektoren konsequent umgesetzt werden. Das zählt zu den zentralen Zielen der Nationalen Wasserstrategie, deren aktuellen Entwurf das Bundesumweltministerium (BMUV) in die Ressortabstimmung gegeben hat und mit dem sich das Kabinett Ende des Jahres befassen soll. Gemäß der Vorsorge sollten alle Bürgerinnen und Bürger auch in Zukunft jederzeit und überall auf eine sichere, bezahlbare und leistungsfähige Wasserversorgung und Abwasserentsorgung zählen können. Zudem sollen sie sich auf ein effektives Risikomanagement bei Extremwetterereignissen wie Starkregen oder Wasserknappheit verlassen können.

Gesunde Gewässer und ein funktionsfähiger Wasserhaushalt seien zentrale Voraussetzungen für den Erhalt der Vielfalt der Tier- und Pflanzenwelt, und auch künftigen Generationen soll dem Entwurf zufolge eine nachhaltige Nutzung der Gewässer und des Grundwassers möglich sein. Dafür ist der Wasserstrategie zufolge u.a. eine weitgehende Reduzierung von Schadstoffeinträgen notwendig.


Interministerielle Arbeitsgruppe soll Umsetzung koordinieren


Für diese Ziele seien konkrete Maßnahmen nach dem in der Strategie enthaltenen „Aktionsprogramm Wasser“ schrittweise bis zum Jahr 2030 zu ergreifen, und nach der in der Wasserstrategie aufgezeigten „Vision 2050“ soll bis zum Jahr 2050 der Schutz der natürlichen Wasserressourcen und der nachhaltige Umgang mit Wasser in Zeiten des globalen Wandels in Deutschland in allen Lebens- und Wirtschaftsbereichen zum Wohle von Mensch und Umwelt verwirklicht sein. Koordiniert und begleitet werden soll die Strategie durch eine Interministerielle Arbeitsgruppe, die alle sechs Jahre einen Bericht zur Umsetzung der Nationalen Wasserstrategie vorlegen werde. Die Nationale Wasserstrategie fokussiere sich auf zehn strategische Themen, die die zentralen Herausforderungen und Handlungsbedarfe aufgreifen (siehe unten).


Die bestehenden Wasserinfrastrukturen müssten kontinuierlich instandgehalten und angepasst werden. Die Wasserversorgung und das Abwassermanagement seien auch weiterhin eine öffentliche Aufgabe und würden mithilfe öffentlicher Infrastrukturen erfüllt, heißt es in der Strategie.


Bundesweite Leitlinie für Priorisierungsentscheidungen


Angesichts der Nutzungsbegrenzungen, die insgesamt notwendig würden, um eine Übernutzung der Wasserressourcen auch zukünftig zu vermeiden, bedarf es dem Entwurf zufolge einer gesellschaftlichen Verständigung über Art, Umfang und Priorität der zulässigen Nutzungen. Mit einer bundesweit abgestimmten Leitlinie, die gemeinsam mit den Ländern und im Dialog mit den Interessengruppen entwickelt werde, soll ein einheitlicher Rahmen für Priorisierungsentscheidungen geschaffen werden, der insbesondere sicherstellen soll, dass jederzeit ausreichende, möglichst ortsnahe Ressourcen für die Trinkwasserversorgung zur Verfügung stehen. Ergänzend seien Regeln und Kriterien für die Wasserverteilung im Fall regionaler temporärer Wasserknappheit und Bodentrockenheit zu erarbeiten.


Bau-, Planungs- und Wasserrecht auf Kohärenz prüfen und ggf. anpassen


Um Belange der öffentlichen Wasserversorgung, die in regionalen Wasserversorgungskonzepten dargelegt werden sollten, bei der Ausweisung von Baugebieten angemessen berücksichtigen zu können, werde das Bau-, Planungs- und Wasserrecht auf Kohärenz geprüft und gegebenenfalls angepasst, heißt es in dem Entwurf.


Im Hinblick auf einen reduzierten Bedarf seien Maßnahmen zur nachhaltigen Wassermengennutzung zu entwickeln, z. B. Mindeststandards für eine effiziente Wassernutzung nach einem festzulegenden Stand der Technik für die industrielle und landwirtschaftliche Nutzung. Wasserentnahmeentgelte sollten weiterentwickelt und gegebenenfalls bundesweit eingeführt werden. Aus den Einnahmen könnten z. B. Maßnahmen zur Zielerreichung der WRRL finanziert werden. In einem Forschungsvorhaben würden Steuerungsmöglichkeiten von „smarten“ Wassertarifen für Brauch- und Trinkwasser untersucht.


Echtzeitentnahmemonitoring für Grundwasser


Zum Schutz der Grundwasserressourcen wird laut Wasserstrategie ein Grundwasser-Echtzeitentnahmemonitoring der tatsächlich entnommenen Mengen entwickelt, das als Basis für ein risikoorientiertes Grundwassermanagement dienen soll. Darüber hinaus soll eine Dokumentationspflicht eingeführt werden, und Ausnahmen von der Erlaubnispflicht bei Grundwasserentnahmen sollten abgebaut werden.


Zu den weiteren in dem Entwurf genannten Maßnahmen zählt die Einrichtung eines Niedrigwasserinformationssystems (NIWIS), mit dem Daten und Analysen für die Beurteilung und Bewirtschaftung von Niedrigwasser zur Verfügung gestellt werden sollen. Einheitliche Kenngrößen zu Niedrigwasser und Wassermangel böten eine notwendige Grundlage zur Harmonisierung von Informations-, Prognose- und Warnsystemen. Zur vorsorgenden Wassermengenbewirtschaftung wie auch zur Minderung der Gefahren durch Hochwasser sollten die Wasserrückhaltefunktion im gesamten Einzugsgebiet inklusive der Auen gestärkt werden.


Versickerung und Verdunstung in Bauleitplanung stärker berücksichtigen


In der kommunalen Bauleitplanung sollen der Strategie zufolge naturnahe Maßnahmen der Niederschlagswasserbewirtschaftung, etwa Versickerung und Verdunstung, verstärkt berücksichtigt werden. Dazu sei gegebenenfalls eine Änderung des § 55 des Wasserhaushaltsgesetzes WHG notwendig, da dieser der Versickerung momentan keinen Vorrang gegenüber der Kanaleinleitung einräume. Die aktuelle Umsetzung der Niederschlagswasserbeseitigung von Verkehrswegen, insbesondere die Versickerung an grünen Seitenstreifen, soll durch die zuständigen Behörden grundsätzlich und die entsprechenden Anforderungen und Maßnahmen im Hinblick auf ökologische Aspekte überprüft werden.


Grundsätzlich sei zu prüfen, wie die Anschlussfähigkeit der wasserwirtschaftlichen Planungen an die Raumplanung und Bauleitplanung und damit die tatsächliche Durchsetzungsfähigkeit wasserwirtschaftlicher Belange in der Abwägung aller räumlichen Belange verbessert werden könne. Dabei ist der Strategie zufolge die Möglichkeit der Festsetzung von Vorranggebieten für die Grundwasserneubildung und die zukünftige Wasserversorgung mit in den Blick zu nehmen.


Regenwassernutzung verstärkt in Wasserversorgung integrieren


Bei der Flächennutzung gelte es, das grundsätzliche Potenzial für Verbesserungen im Sinne wassersensibler Städte vor allem auch in bestehenden Siedlungsbereichen verstärkt zu nutzen. Zu den Optionen zähle dabei auch eine verstärkte Integration der Regenwassernutzung in die Wasserversorgung durch Rückhaltung, Speicherung und Nutzung von Regenwasser, insbesondere im urbanen Raum. Wann und unter welchen Umständen die Nutzung von Regenwasser nicht nur zur Bewässerung, sondern auch im Haushalt unter wirtschaftlichen, hygienischen und ökologischen Aspekten sinnvoll ist, könne dabei nur im Einzelfall entschieden werden, wobei auch die einzusetzenden Materialmengen – z. B. für ein zweites Leitungsnetz – zu berücksichtigen seien.


Nutzung von aufbereitetem Abwasser zur Bewässerung ermöglichen


Der Wasserstrategie zufolge soll die umweltgerechte Nutzung von aufbereitetem Brauch-, Niederschlags- und Abwasser zur Bewässerung in der Landwirtschaft sowie in Städten und Regionen ermöglicht werden, soweit dies ökologisch sinnvoll bzw. vertretbar sei. Dazu würden die Vorgaben der EU-Richtlinie über Mindestanforderungen an die Wasserwiederverwendung umgesetzt. Zudem würden rechtliche Anforderungen und Leitlinien für den Einsatz von aufbereitetem Abwasser entwickelt. Entsprechende Konzepte seien in der kommunalen Bauleitplanung und in Wasserversorgungskonzepten verstärkt zu berücksichtigen.


Tierbestände an Fläche zu orientieren


Im Hinblick auf das Thema Landwirtschaft heißt es in der Wasserstrategie unter anderem, dass für den Gewässer- und Trinkwasserschutz der ökologische Landbau gegenüber der konventionellen Landwirtschaft von Vorteil sei, da im Ökolandbau keine chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmittel und Mineraldünger verwendet werden. Auch durch weitgehend geschlossene Nährstoffkreisläufe würden deutlich weniger Nährstoffe eingetragen. Die Entwicklung der landwirtschaftlichen Tierbestände sei an der zur Futtermittelproduktion zur Verfügung stehenden Fläche zu orientieren, wobei ein Verhältnis von maximal zwei Großvieheinheiten (GVE) je Hektar nicht überschritten werden dürfe. Dieses Ziel werde bei der Förderung der Tierhaltung durch den Bund berücksichtigt.


Risiken durch Stoffeinträge begrenzen


Die Verwendung von Stoffen, die ein relevantes Maß der Gefährdung überschreiten oder ein relevantes Risiko für die Gewässer und die Trinkwassergewinnung darstellen, soll der Strategie zufolge auf essenzielle Anwendungen beschränkt werden, um inakzeptable Risiken für Gewässer und Gewässerökosysteme von vorneherein zu vermeiden. Neben Finanzierungsinstrumenten im Sinne der erweiterten Herstellerverantwortung sei die Abwasserabgabe als ein Instrument zur Ko-Finanzierung von Maßnahmen, die Schadstoffeinträge reduzieren, zu reformieren. Dies gelte insbesondere im Hinblick auf den Ausbau von Kläranlagen mit einer vierten Reinigungsstufe sowie die Verringerung der Schadstoffeinträge durch Niederschlagswasser- oder Mischwassereinleitungen im urbanen Raum. Im Zusammenspiel der Finanzierungsinstrumente sollten künftig verursacherbezogene Anreize zur Reduzierung von Schadstoffeinträgen einschließlich Spurenstoffen geschaffen werden.


Ordnungsrahmen und Verwaltung optimieren


Das WHG und weitere wasserrelevante Vorschriften sind der Strategie zufolge zu überprüfen und erforderlichenfalls anzupassen, um den in der Wasserstrategie identifizierten Herausforderungen, insbesondere den Auswirkungen der Klimakrise und dem Verlust der Biodiversität, gerecht zu werden. Die öffentliche Beschaffung werde verpflichtet, vorrangig Produkte zu erwerben, die keine nachteiligen Auswirkungen auf die Wasserressourcen mit sich bringen.


Wasser-, Energie- und Stoffkreisläufe sollten der Strategie zufolge miteinander verbunden werden. So seien etwa rechtliche Voraussetzungen im Düngemittelrecht für die Verwendung von Produkten aus der Rückgewinnung von Phosphor aus dem Abwasser bzw. Klärschlamm notwendig. Um die Gewinnung von Phosphor aus dem Abwasser insgesamt zu steigern, wären in einem ersten Schritt auch entsprechende Anforderungen im Wasserrecht zu etablieren, heißt es in dem Entwurf. Dabei bedürfe es jedoch einer Abstimmung zwischen dem Wasser- und Abfallrecht, um an der Schnittstelle zwischen Abwasser und Klärschlamm gegenläufige Entwicklungen zu verhindern.


Neues Bundesprogramm zur Finanzierung angekündigt


Um die notwendige Finanzierung in allen wasserwirtschaftlichen Bereichen sicherzustellen, würden die bestehenden Finanzierungsinstrumente hinsichtlich ihrer Zukunftsfähigkeit evaluiert. Über die bestehenden Finanzierungsmöglichkeiten hinaus solle ein „Bundesprogramm klimabezogene Maßnahmen in der Wasserwirtschaft und Gewässerentwicklung“ in einer Größenordnung von mindestens 100 Mio. Euro pro Jahr für zehn Jahre aufgelegt werden.


Zudem soll nach der Strategie das Bewusstsein für die Ressource Wasser gestärkt werden, etwa im Rahmen einer langjährigen Bildungs- und Kommunikationsoffensive „Wasser“.

Der jetzt vorgelegte Entwurf entstand dem BMUV zufolge auf Grundlage des Vorschlags für eine Nationale Wasserstrategie, den die damalige Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) im Juni 2021 vorgestellt hatte. Im Rahmen eines Anhörungsverfahrens seien erneut Vorschläge und Hinweise der Länder und vieler Akteure und Akteurinnen aus den wasserwirtschaftlich relevanten Handlungsfeldern eingeflossen.


Die zehn strategischen Themen der Nationalen Wasserstrategie

1. Den naturnahen Wasserhaushalt schützen, wiederherstellen und dauerhaft sichern – Zielkonflikten vorbeugen

2. Gewässerverträgliche und klimaangepasste Flächennutzung im ländlichen und urbanen Raum realisieren

3. Nachhaltige Gewässerbewirtschaftung weiterentwickeln

4. Risiken durch Stoffeinträge begrenzen

5. Wasserinfrastrukturen weiterentwickeln

6. Wasser-, Energie- und Stoffkreisläufe verbinden

7. Leistungsfähige Verwaltungen stärken, Datenflüsse verbessern, Ordnungsrahmen optimieren und Finanzierung sichern

8. Meeresgebiete (Nord- und Ostsee) intensiver vor stofflichen Einträgen vom Land schützen

9. Bewusstsein für die Ressource Wasser stärken

10. Gemeinsam die globalen Wasserressourcen nachhaltig schützen