Der klagende Wasserverband strebt an, dass der beklagte Landkreis ihn für einen Teil seines Verbandsgebietes von der Trinkwasserversorgungspflicht befreit, heißt es in dem Urteil zum Sachverhalt. Wie das Gericht ausführt, hatte bereits im Jahr 1997 hatte der Rechtsvorgänger des Klägers, der zuständige Wasser- und Abwasserzweckverband (WAZV), beim Landkreis die Befreiung von seiner Trinkwasserversorgungspflicht für eine ehemalige Gaststätte sowie für eine Bungalowsiedlung mit etwa 20 teilweise zu Dauerwohnzwecken genutzten Gebäuden, die sich außerhalb der Ortslage befinden, verlangt. Zu Beginn der 2000-er Jahre haben die Nutzer das Eigentum an den dazu gehörenden Grundstücken erworben.
Die Trinkwasserversorgung der Gebäude erfolgt von einem Wasserhochbehälter über eine circa 2.300 Meter lange sanierungsbedürftige Leitung bis zum Übergabeschacht auf dem Gelände der ehemaligen Gaststätte. Vom Übergabepunkt führt eine etwa 600 Meter lange private Leitung zu dem bis zu Beginn der 1990-er Jahre betriebenen ehemaligen Ferienobjekt.
Landkreis weist Befreiungsantrag ab
Im Juli 2012 wies der beklagte Landkreis den - zwischenzeitlich erneuerten - Befreiungsantrag des Klägers aus dem September 2007 ab. Zur Begründung führte er u. a. aus, dass, anders als es der klagende Versorger geltend mache, für die Versorgung der Grundstücke kein unverhältnismäßig hoher Aufwand entstehe. Denn der Wasserpreis steige im Verbandsgebiet bei Aufrechterhaltung der derzeitigen Versorgungsumstände infolge von zusätzlichen Betriebskosten für dieses Gebiet von circa 7.500 Euro bzw. die Errichtung einer Spülstelle bei Investitionskosten von ca. 250.000 Euro nur um 0,02 Euro bzw. 0,05 Euro je Kubikmeter.
Aber selbst wenn vorliegend ein unverhältnismäßig hoher Aufwand unterstellt werde, würde eine Befreiung die Rechte der Grundstückseigentümer verletzen, weil sie wegen ihres langjährigen tatsächlichen Trinkwasserbezuges in ihrem Recht auf Gewährleistung des Eigentums gemäß Art. 14 Absatz Abs. 1 S. 1 GG jedenfalls Vertrauensschutz genießen würden. Das Ermessen sei auch deshalb zu Ungunsten des Klägers auszuüben, weil das Wassergesetz Sachsen-Anhalt (WG LSA) wegen der Trinkwasserversorgungspflicht nur ausnahmsweise eine Befreiung zulasse. Die Eigentümer bzw. Nutzer hätten ein Recht auf Trinkwasserbezug zu den allgemein im Verbandsgebiet gültigen Konditionen hätten, so der Landkreis.
Dagegen legte der Kläger Widerspruch ein, den das Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt im Mai 2018 zurückwies. Daraufhin erhob der Kläger Klage, die er damit begründete, dass die Aufrechterhaltung der Versorgung für ihn mit Kosten in Höhe von ca. 1.105.00 Euro beim Inlinerverfahren bzw. bei einem Neubau von circa 750.200 Euro verbunden sei. Dieser Aufwand sei unverhältnismäßig.
Verweis auf Urteil des OVG Sachsen-Anhalt
Dem Urteil des Verwaltungsgerichts Magdeburg zufolge hat der Wasserversorger keinen Anspruch auf die Befreiung von der Trinkwasserversorgung. Die Versorgung der im bauplanungsrechtlichen Außenbereich gelegenen Grundstücke sei dem Kläger zwar tatsächlich nur mit einem unverhältnismäßig hohen Aufwand möglich; der danach möglichen Befreiung von der Trinkwasserversorgung stünden aber Rechtsgründe entgegen.
Das Verwaltungsgericht verweist dabei auf ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts Sachsen-Anhalt, wonach ein Ausschluss bestimmter Gebiete von der Abwasserbeseitigungspflicht nur ausnahmsweise unter strengen Voraussetzungen in Frage kommt (Aktenzeichen 2 K 105/15 vom 20.12.2017; EUWID 9.2018). Allgemeine Wirtschaftlichkeitserwägungen – wie etwa die Entwicklung der Gebühren, eine Kosten-Nutzen-Relation oder die Abwägung mit anderen Investitionen - sollten dabei nicht berücksichtigt werden. Diese Rechtsprechung sei auf die Wasserversorgung übertragbar, zumal in beiden Fällen die Allgemeinheit von solchen Kosten entlastet werden solle, die nur durch wenige Mitglieder der Solidargemeinschaft verursacht würden, so das Verwaltungsgericht.
Schutz des Eigentums zu Recht berücksichtigt
Zu Recht habe der Landkreis bei seiner Entscheidung über die Befreiung des Klägers von der Trinkwasserversorgung auch die Rechte der Grundstückseigentümer im Bungalowgebiet über den Art. 14 Abs. 1 des Grundgesetzes berücksichtigt. Denn mit dem Artikel des GG werde nicht nur das Grundeigentum in seinem Bestand als solches, sondern auch seine Anbindung an seine Umgebung geschützt, stellt das Verwaltungsgericht fest.
Eigentümer auf Bezug von Trinkwasser angewiesen
Dass der Landkreis auch die Auswirkungen einer Befreiung für die Grundstückseigentümer im Zusammenhang der derzeitigen Nutzungsverhältnisse in den Blick genommen habe, sei ebenfalls richtig. Die Eigentümer der Grundstücke seien aufgrund ihres Aufenthaltes auf den Bezug von Trinkwasser angewiesen. Diesen über eine Eigenversorgungsanlage zu realisieren, sei ihnen aber nicht zumutbar.
Die Zumutbarkeit sei insoweit nicht allein an den tatsächlichen Kosten für die Herstellung eines Gemeinschafts-Brunnens sowie seines Betriebs und der Unterhaltung zu messen. Dies kann dem Gericht zufolge für Ersterschließungen durchaus ein hinreichendes Kriterium sein, gelte aber so nicht für Bestandsnutzer. Denn diese sind kraft Gesetzes Teil der bisherigen Versorgungsgemeinschaft des Klägers, aus der sie bislang lediglich zu Unrecht im Sinne eines Sonderversorgungsgebietes ausgegliedert worden seien. Innerhalb einer öffentlichen Einrichtung sei die Bildung von Sonderversorgungsgebieten bzw. -abrechnungsgebieten aus Gründen der Gleichheit der Benutzer aber in der Regel nicht zulässig.
Keine vereinzelte Nutzung
Die Interessen der Grundstückseigentümer in der Bungalowsiedlung sind dem Gericht zufolge nicht gering. Es handle sich weder um eine vereinzelte Nutzung noch um solche, bei denen Wasserbedarf völlig untergeordnet ist, wie dies zum Bespiel bei einer einzelgärtnerischen Nutzung der Fall sei. Ausweislich der vom Kläger dem Beklagten zugearbeiteten Kostenaufstellung, würden sich zudem allein die Kosten für die Errichtung des Trinkwasserbrunnens ca. 157.000 Euro belaufen. Hinzu kämen Kosten für den Betrieb, die Wartung und Erneuerung der Anlage.
Versorgungsgemeinschaft als Solidargemeinschaft
Die daraus resultierenden durchschnittlichen Versorgungskosten für die Grundstückseigentümer übersteigen erheblich die Kosten, die sie ansonsten für den Wasserbezug aufzubringen hätten. Darüber hinaus sei unstreitig, dass die Gesamtheit der vom Kläger zu versorgenden Einwohner lediglich mit einem Mehrpreis von 0,02 bzw. 0,05 Euro/m3 zu rechnen hätte.
Dies schulde auch der Teil der Solidargemeinschaft, der nicht unmittelbar von einer Maßnahme profitiert, heißt es in dem Urteil. Innerhalb einer flächenmäßig geprägten Versorgungsgemeinschaft im Sinne einer Solidargemeinschaft werden im Laufe der Zeit eine Vielzahl von Investitionen notwendig, deren Vorteil sich nicht auf die Gesamtheit der zu Versorgenden erstreckt. Sei dies dem Wesen einer solchen Gemeinschaft eigen, spreche eine moderate Erhöhung des Trinkwasserpreises gerade dafür, den Ausschluss von „Bestandskunden“ als unverhältnismäßig anzusehen.
Den Streitwert hat das Gericht auf 15.000 Euro festgesetzt.