Die Klägerin, die ein Zentrallager betreibt, wendet sich gegen die Festsetzung eines Wasserentnahmeentgelts und von Vorauszahlungen dafür, heißt es in dem Beschluss zum Sachverhalt. Aufgrund einer wasserrechtlichen Erlaubnis des Landratsamts aus dem Jahr 2015 entnimmt sie Grundwasser zum Betrieb einer Anlage zur Kühlung und Heizung von Räumlichkeiten des Zentrallagers und leitet sie das entnommene, abgekühlte oder erwärmte Wasser wieder in das Grundwasser ein.
Das Landratsamt setzte das Wasserentnahmeentgelt für das Jahr 2016 auf 42.417,47 Euro und Vorauszahlungen des Wasserentnahmeentgelts für das Jahr 2017 in Höhe von zweimal 21.208,73 Euro fest. Den Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid vom wies das Regierungspräsidium ab.
VG Sigmaringen weist Klage gegen Entnahmeentgelt ab
Das Verwaltungsgericht Sigmaringen wies die Klage gegen den Bescheid und den Widerspruchsbescheid mit einem Urteil vom 30.7.2019 ab (Aktenzeichen: 3 K 9192/17). Zur Begründung führte es u.a. aus, dass sowohl die Entnahme als auch das Ableiten des Grundwassers durch die Klägerin entgeltpflichtig seien. Die Klägerin kann sich dem VG Sigmaringen zufolge nicht auf den privilegierenden Ausnahmetatbestand des § 103 Nr. 4 des Wassergesetzes für Baden-Württemberg (WG) berufen, demzufolge für die Benutzung von Grundwasser, soweit das entnommene Wasser zur Heizung oder Kühlung von Gebäuden verwendet und anschließend dem Grundwasser wieder zugeführt wird, kein Entgelt erhoben wird. Bei dem von der Klägerin betriebenen Zentrallager - einschließlich der Kälteanlage für die Kühlbereiche - handle es sich nicht um ein Gebäude im rechtlichen Kontext des § 103 Nr. 4 WG.
VGH: Wiedereinleitung von Grundwasser in das Grundwasser ist kein Ableiten
Die Berufung dagegen hat Erfolg. Der Bescheid des Landratsamts und der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums sind dem Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs zufolge rechtswidrig, denn die Voraussetzungen des Ausnahmetatbestands lägen vor. Die Wiedereinleitung von entnommenem Grundwasser in das Grundwasser sei kein Ableiten von Grundwasser im Sinne des WG, heißt es in dem Beschluss. Ein solches Ableiten liege dann vor, wenn das Grundwasser aus seinem natürlichen Zusammenhang gelöst und weggeleitet wird.
Die Benutzung des Gewässers in Gestalt der Entnahme von Grundwasser diene auch der Wasserversorgung. Denn mit dem entnommenen Grundwasser werde der Bedarf an Wasser zum Betrieb der Kühl- und Heizungsanlage der Klägerin in ihrem Zentrallager gedeckt, so der VGH.
Zentrallager ist ein Gebäude im Sinne des Wassergesetzes
Das Zentrallager der Klägerin ist nach Auffassung des VGH ein Gebäude im Sinne des § 103 Nr. 4 WG. Das Wassergesetz für Baden-Württemberg enthalte keine Definition des Begriffs des Gebäudes, führt der VGH aus. Der Begriff des Gebäudes sei infolgedessen anhand der anerkannten Methoden auszulegen. Der VGH verweist dabei auf die Landesbauordnung, der zufolge Gebäude selbständig benutzbare, überdeckte bauliche Anlagen sind, die von Menschen betreten werden können und geeignet sind, dem Schutz von Menschen, Tieren oder Sachen zu dienen. Nach dieser Definition handle es sich bei dem Zentrallager zweifellos um ein Gebäude; insbesondere sei es aus Bauprodukten hergestellt und verfüge über Wände und ein Dach, so der VGH.
Grundwasser wird zur Heizung und Kühlung eines Gebäudes verwendet
Das entnommene Grundwasser wird auch im Sinne des WG zur Heizung und zur Kühlung eines Gebäudes verwendet, stellt der VGH fest. Der entsprechende Ausnahmetatbestand verlange nicht, dass die Heizung oder Kühlung das Gebäude als Ganzes, also sämtliche Räume, betreffen und ganzjährig erfolgen müsse. Bei einer solchen Auslegung der Vorschrift würde man deren Anwendungsbereich allzu sehr einengen. Denn es seien kaum Fälle denkbar, in denen sämtliche Räume eines Gebäudes ganzjährig beheizt oder gekühlt werden müssten, heißt es in dem Beschluss: Selbst in einem Wohnhaus gebe es normalerweise im Winter Räume, etwa Kellerräume, die nicht beheizt werden müssten.
Dass der Ausnahmetatbestand erfüllt ist, könne auch nicht mit der Erwägung in Frage gestellt werden, die Kühlung der Lagerflächen erfolge letztlich zur Kühlung von Ware und damit, wie es die beklagte Behörde formuliert habe, „im Rahmen eines „Produktprozesses“ oder „für gewerbliche Zwecke“. Die Beheizung oder Kühlung eines Gebäudes sei kein Selbstzweck, sondern erfolge, damit das Gebäude bestimmungsgemäß genutzt werden kann, so der VGH. Das zur Heizung und Kühlung entnommene (Grund-)Wasser werde schließlich im Sinne des Wassergesetzes wieder dem Grundwasser zugeführt.