Die Ahr und ihre Nebenflüsse hätten gezeigt, wo ihr Bett natürlicherweise liegen würde. Doch statt diesen Verlauf zu berücksichtigen, wurden die Gewässer in ihren alten Verlauf zurückgedrängt. Oft seien dabei unnatürliche und enge Flussbetten mit steilen Uferböschungen entstanden. Mündungen von Nebenbächen wurden oberhalb von Brücken zurückverlegt, die an gleicher Stelle zumindest vorläufig wiederaufgebaut werden. „Jeder kann sich vorstellen, was bei einem erneuten Hochwasser dieser Art passiert“, weist Yacoub auf erneute Gefahren hin.
Deshalb plädiere der BUND dafür, an der Idee der Modell-Region Ahrtal festzuhalten und den Wiederaufbau tatsächlich für Veränderungen zu nutzen. So müsse vor dem Wiederaufbau der Infrastruktur deren Tauglichkeit geprüft werden. Als Beispiel verweist die BUND-Landesvorsitzende auf den Vorschlag einer Bürgerinitiative, die B266 in der Gemarkung Heimersheim von vier auf zwei Spuren zu reduzieren und den freiwerdenden Raum der Ahr zur Verfügung zu stellen. Damit würde ein Beitrag zum Hochwasserschutz geleistet und die Chancen, dass die Straße beim nächsten Mal nicht beschädigt wird, steige. „Hochwasserschutz kann nur mit und nicht gegen die Gewässer stattfinden. Und er muss an vielen Stellen mit vielen Maßnahmen erfolgen“, fordert Yacoub. Die eine alles lösende Maßnahme gebe es nicht.
Immer noch mangelndes Bewusstsein für die Bedeutung der Hochwasservorsorge
Ein weiterer Grund zur Sorge ist für den BUND das immer noch mangelnde Bewusstsein für die Bedeutung der Hochwasservorsorge im ganzen Land. „Immer noch planen Gemeinden bewusst Bauprojekte in bekannte Überschwemmungsgebiete“, sagt BUND-Pressesprecher Gavin Grosvenor. Eigentlich sei das Bauen in festgesetzten Überschwemmungsgebieten nicht erlaubt. Doch es gebe die Möglichkeit für Ausnahmegenehmigungen.
Außerdem gebe es für kleine Gewässer in Rheinland-Pfalz gar keine förmlich ausgewiesenen Überschwemmungsgebiete. „Wir haben vor einem Jahr gesehen, wie aus kleinen Bächen breite Flüsse wurden. Das müssen wir ernst nehmen“, betont Grosvenor: „Potenzielle Überschwemmungsgebiete müssen konsequent von Bebauung freigehalten werden, gleich wie groß das Gewässer normalerweise ist. Wo möglich, müssen neue Überschwemmungsgebiete geschaffen werden.“
Synergieeffekte für Klima- und Artenschutz
So könnten naturnahe Hochwasserschutzmaßnahmen auch zu wertvollen Synergieeffekten für den Klima- und Artenschutz führen. Wasserreiche Gebiete dienten als natürliche Speicher, die über die Verdunstung die Luftfeuchtigkeit in der Landschaft erhöhten und über die Verdunstungskälte auch Erhitzung abmilderten. Feuchtgebiete und Moore könnten mehr CO2 binden als alle anderen terrestrischen Ökosysteme. Damit seien sie für den Schutz des Klimas von zentraler Bedeutung.
Auf ein weiteres Thema weist der Stellvertretende Landesvorsitzende und BUND-Energieexperte Michael Carl hin: „Wir müssen beim Wiederaufbau unbedingt den Klimaschutz berücksichtigen. Das bedeutet, dass Ölheizungen verboten werden müssen, und Gasheizungen nach Möglichkeit durch Wärmepumpen ersetzt werden. Neubauten sollten Passivhausstandard haben und bei Hausrenovierungen muss Wärmedämmung aufgebracht werden. Die Betroffenen müssen dabei durch Beratung aktiv unterstützt werden und auch entsprechende Förderungen erhalten.“