Mit der Neufassung der allgemeinen Verwaltungsvorschrift soll die von der Europäischen Kommission bemängelte Vorgehensweise bei der Ausweisung von mit Nitrat belasteten und eutrophierten Gebieten zur Umsetzung der EU-Nitrat-Richtlinie geändert und weiter vereinheitlicht werden. So wird für die Ermittlung mit Nitrat belasteter Gebiete ein einheitliches Verfahren und für die Festlegung der zu betrachtenden Messstellen ein Ausweisungsmessnetz festgeschrieben. Für die Betrachtung der Immissionen, d.h. die Ermittlung der Ausdehnung der Belastung im jeweiligen Grundwasserkörper, werden Anforderungen an die Messstellen und die erforderliche Dichte des Messnetzes festgelegt.
Emissionsmodellierung gestrichen
Dadurch, dass in den nächsten Jahren insbesondere das Nitratmessnetz verdichtet werde, könnten Problemstellen besser erkannt werden, hieß es seitens des Bundeslandwirtschaftsministeriums (BMEL). Das Ministerium erläuterte, dass bei der Gebietsabgrenzung zukünftig keine landwirtschaftlichen Daten mehr berücksichtigt werden können und die sogenannte Emissionsmodellierung gestrichen ist. Die Bundesländer müssten künftig sicherstellen, dass alle belasteten Messstellen innerhalb der mit Nitrat belasteten bzw. eutrophierten Gebiete liegen. Für die bundeseinheitlichen geostatistischen Regionalisierungsverfahren zur Binnendifferenzierung seien Übergangsfristen vorgesehen, um den Ländern genügend Zeit zur Verdichtung ihrer Messstellennetze zu geben. Zudem wurde die Berücksichtigung von denitrifizierenden Verhältnissen aufgegriffen, um den Vorsorgegedanken zu stärken.
Länder bitten um finanzielle
Unterstützung des Bundes
Die Nitrat-Messstellennetze der Länder sollen so ausgeweitet werden, dass bis spätestens 2028 überall in Deutschland ein geostatisches Verfahren angewendet werden kann. Der Bundesrat hat die Bundesregierung in dem Zusammenhang gebeten, die Länder beim Ausbau des Messstellennetzes finanziell zu unterstützen.
Die erforderliche Messstellendichte hängt der AVV zufolge von der Verbreitung und den Eigenschaften der hydrogeologischen Einheiten ab; es ist sicherzustellen, dass bei stark variierenden hydrogeologischen Einheiten mindestens eine Messstelle je 20 Quadratkilometer und bei großflächig verbreiteten hydrogeologischen Einheiten mindestens eine Messstelle je 50 Quadratkilometer im jeweiligen Grundwasserkörper vorhanden ist.
Beim Ausweisungsverfahren für eutrophierte Gebiete erfolgt die Modellierung auf Grundlage des Modellansatzes Agrum DE. Die Ausweisung ist mindestens alle vier Jahre zu überprüfen.
System für Maßnahmendifferenzierung
soll entwickelt werden
Zudem bittet der Bundesrat die Bundesregierung, gemeinsam mit den Ländern und in enger Abstimmung mit der EU-Kommission für die Zukunft auf der Basis eines belastbaren Monitorings ein robustes, rechtssicheres und vollzugstaugliches, auf kontrollierbaren Daten beruhendes System für eine Maßnahmendifferenzierung zu entwickeln und die dafür notwendigen fachlichen und rechtlichen Voraussetzungen vorzubereiten.
Bundesrat: Novelle des Düngegesetzes erforderlich
In einer begleitenden Entschließung hat der Bundesrat auf die Herausforderungen hingewiesen, die die bundesweite Düngeverordnung (DüV) und die zugehörige Verwaltungsvorschrift in den Ländern auslöse. Für die Beendigung des EU-Vertragsverletzungsverfahrens seien binnen kürzester Frist die Landesdüngeverordnungen anzupassen. Insbesondere die tatsächliche Ausweisung der Nitrat-belasteten Gebieten werde die Landesverwaltungen in der Kürze der vorgegebenen Fristen große Anstrengungen kosten, betonte der Bundesrat.
Der Bundesrat spricht sich für eine zügige Novellierung des Düngegesetzes aus, um eine rechtssichere Grundlage für ein effektives Wirkungsmonitoring zu erhalten.
Die Entschließung wurde der Bundesregierung zugeleitet. Sie entscheidet, wann sie sich mit den Forderungen des Bundesrates befasst. Feste Fristen gibt es dafür nicht.
Hinz betonte, dass mit den neuen Regelungen die besonders mit Nitrat belasteten roten Gebiete und die eutrophierten Gebiete größer würden; die Verbesserungen würden aber wiederum zu Erleichterungen führen. Auf der Grundlage eines guten Monitorings könnten die belasteten Gebiete auch wieder verkleinert werden. Das Bundeslandwirtschaftsministerium hatte erklärt, nach ersten Berechnungen der Länder werde sich aufgrund dieser Regelungen die Gebietskulisse deutschlandweit bei Nitrat von derzeit rund 2,0 Millionen auf etwa 2,9 Millionen Hektar landwirtschaftlich genutzter Fläche vergrößern. Dies entspreche einer Zunahme der Fläche der sogenannten Roten Gebiete von rund 45 Prozent. Nach der Binnendifferenzierung von 2020 hätten die Länder fast 3,5 Millionen Hektar als Rote Gebiete einstufen müssen.
Özdemir: Sicherheit für die Landwirtschaft
und Schutz für die Gewässer
Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir sagte, durch die neuen Vorgaben erhielten die Landwirtinne und Landwirte Klarheit und Sicherheit, so dass sie ihre Anbau- und Düngeplanung verlässlich machen könnten. Gleichzeitig würden die drohenden Strafzahlungen abgeräumt. Die Nitrateinträge seien vor allem für das Grundwasser, für die Ostsee und unsere Fischerei ein großes Problem.
Auch Bundesumweltministerin Steffi Lemke erklärte, dass Deutschland endlich einen wesentlichen Schritt vorangekommen sei. Gemeinsam mit den Bundesländern habe sich die Bundesregierung mit der Änderung der AVV für eine EU-konforme Lösung eingesetzt, die unter Einbeziehung der Landwirtschaft dem Gewässerschutz diene und die Umwelt schütze.
Konkretisierung der Vorgaben
der Düngeverordnung
Wie die Ministerien erläutern, konkretisiert die AVV Gebietsausweisung die Vorgaben zur Gebietsausweisung der 2020 geänderten Düngeverordnung, die ein wesentlicher Bestandteil des deutschen Aktionsprogramms zur Umsetzung der EU-Nitratrichtlinie ist. Die Neufassung sowie die Neuausweisung der belasteten Gebiete nach Anpassung der jeweiligen Landesdüngeverordnungen seien ein entscheidender Schritt, damit die EU-Kommission das laufende Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland einstellen könne.
Die EU-Kommission hatte die von der Bundesregierung vorgeschlagenen Änderungen an der AVV Gebietsausweisung zuvor bestätigt. Nach dem Beschluss im Kabinett hat nun der Bundesrat die AVV Gebietsausweisung beschlossen. Mit der jetzt vom Bundesrat beschlossenen Novelle der AVV werden die Forderungen der EU-Kommission im Vertragsverletzungsverfahren umgesetzt.
2017 und 2020 gab es große Änderungen des Düngerechts, durch die viele Landwirtinnen und Landwirte immer wieder ihre Bewirtschaftungsweisen ändern mussten. Hintergrund ist die seit 2012 immer wieder geäußerte Kritik der EU-Kommission an der deutschen Umsetzung der EU-Nitratrichtlinie durch die DüV. Die Nitratrichtlinie hat den Schutz der Grund- und Oberflächengewässer vor Nitrat-Verunreinigungen aus landwirtschaftlichen Quellen zum Ziel und ist Teil eines umfassenden rechtlichen EU-Rahmenwerks zum Schutz der Umwelt. Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 21. Juni 2018 im Klageverfahren der EU-Kommission gegen Deutschland wegen unzureichender Umsetzung der Nitratrichtlinie überarbeitete die damalige Bundesregierung die bereits 2017 novellierte Düngeverordnung erneut – und erließ die geänderte Düngeverordnung Ende April 2020. Die EU-Kommission hatte beanstandet, dass die Novelle aus 2017 dem EuGH-Urteil aus 2018 nicht gerecht werde und in der Folge im Juli 2019 das sogenannte Zweitverfahren gegen Deutschland eingeleitet. Insbesondere hatte die Kommission das äußerst heterogene Vorgehen bei der Ausweisung der mit Nitrat belasteten oder durch Phosphat eutrophierten Gebiete in den Ländern kritisiert. In der Folge erarbeitete eine Bund-Länder-Steuerungsgruppe die AVV Gebietsausweisung, die im November 2020 nach Zustimmung durch den Bundesrat erlassen wurde.
Die EU-Kommission forderte Deutschland im Juni 2021 erneut zu deutlichen Nachbesserungen auf. Dies betraf vor allem die Ausweisung der mit Nitrat belasteten Gebiete, deren Flächenumfang sich gegenüber der Gebietsausweisung aus dem Jahr 2019 deutlich verkleinert hatte. Deutschland drohen nach Angaben der Ministerien im Falle einer weiteren Verurteilung Strafzahlungen in Höhe eines Pauschalbetrages von mindestens elf Millionen Euro und eines Zwangsgeldes von bis zu rund 800.000 Euro täglich.