Der emissionsbasierte Ansatz über die sogenannte Modellierung, das heißt die Berücksichtigung der landwirtschaftlichen Bewirtschaftung, werde gestrichen, da sie aus Sicht der EU-Kommission nicht mit der Nitratrichtlinie vereinbar sei. Des Weiteren haben sich Bund und Länder dem Ministerium zufolge darauf verständigt, dass als Ausgangspunkt für die Ausweisung der mit Nitrat belasteten Gebiete ein von den Ländern bis 2024 noch deutlich zu verdichtendes Ausweisungsmessnetz dienen soll, das auf den bereits vorhandenen Messstellen der schon eingerichteten Messnetze basiert.
Länder müssen sich in Übergangszeit für jeweils ein Verfahren entscheiden
Da bislang nicht alle Länder das geostatistische Verfahren umsetzen könnten, da dazu noch Messstellen gebaut werden müssten, soll dafür eine Übergangsfrist bis 2028 gelten. Bis dahin dürften auch andere Verfahren zur Anwendung kommen. Allerdings dürfen die Länder nicht wie bisher mehrere Verfahren gleichzeitig anwenden, sondern sie müssten sich für ein einziges Verfahren entscheiden, so das Ministerium.
Zunahme der Fläche der Roten
Gebiete um rund 45 Prozent erwartet
Nach ersten Berechnungen der Länder werde sich aufgrund dieser Regelungen die Gebietskulisse deutschlandweit bei Nitrat von derzeit rund 2,0 Millionen auf etwa 2,9 Millionen Hektar landwirtschaftlich genutzter Fläche vergrößern. Dies entspreche einer Zunahme der Fläche der sogenannten Roten Gebiete von rund 45 Prozent. Nach der Binnendifferenzierung von 2020 hätten die Länder fast 3,5 Millionen Hektar als Rote Gebiete einstufen müssen.
Die AVV Gebietsausweisung konkretisiert dem Ministerium zufolge die Vorgaben der geänderten Düngeverordnung (DüV), die ein wesentlicher Bestandteil des deutschen Aktionsprogramms zur Umsetzung der EU-Nitratrichtlinie ist. Die Neufassung sowie die Neuausweisung der belasteten Gebiete nach Anpassung der jeweiligen Landesdüngeverordnungen seien die Basis, um das laufende Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland einzustellen.
Özdemir: Der Landwirtschaft endlich verlässlichen Rahmen geben
Das Landwirtschaftsministerium hat damit nach eigenen Angaben einen wichtigen Schritt genommen, um milliardenschwere Strafzahlungen wegen des Verstoßes Deutschlands gegen die EU-Nitratrichtlinie zu verhindern. Minister Cem Özdemir erklärte dazu: "Wir haben eine wichtige Etappe gemeistert, sind aber noch nicht ganz am Ziel angekommen. Es hat viele Gespräche gebraucht, um die EU-Kommission zu überzeugen – wir sollten den Geduldsfaden nun auf den letzten Metern nicht überstrapazieren und schnell zum Abschluss kommen“. Er hoffe sehr auf die Unterstützung seiner Länderkolleginnen und -kollegen, damit der Landwirtschaft endlich ein verlässlicher Rahmen gegeben werden könne.
Kritik der EU-Kommission an heterogenem Verfahren
bei Gebietsausweisung
Wie das Ministerium zum Hintergrund erläutert, gab es seit 2017 mehrfache Änderungen des Düngerechts, durch die viele Landwirtinnen und Landwirte immer wieder ihre Bewirtschaftungsweisen ändern mussten. Hintergrund ist die seit 2012 immer wieder geäußerte Kritik der EU-Kommission an der deutschen Umsetzung der EU-Nitratrichtlinie durch die Düngeverordnung. Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 21. Juni 2018 im Klageverfahren der EU-Kommission gegen Deutschland wegen unzureichender Umsetzung der Nitratrichtlinie überarbeitete die damalige Bundesregierung die bereits 2017 novellierte Düngeverordnung erneut und erließ die geänderte Düngeverordnung Ende April 2020.
Die EU-Kommission hatte beanstandet, dass die Novelle aus 2017 dem EuGH-Urteil aus 2018 nicht gerecht werde und in der Folge im Juli 2019 das sogenannte Zweitverfahren gegen Deutschland eingeleitet. Insbesondere hatte die Kommission das äußerst heterogene Verfahren bei der Ausweisung der mit Nitrat belasteten oder durch Phosphat eutrophierten Gebiete in den Ländern kritisiert. In der Folge erarbeitete eine Bund-Länder-Steuerungsgruppe die AVV Gebietsausweisung, die im November 2020 nach Zustimmung durch den Bundesrat erlassen wurde. Daraufhin änderten die Bundesländer die entsprechenden Landesverordnungen mit den dazugehörigen Gebietsausweisungen.
AVV GeA konkretisiert die Vorgaben der geänderten Düngeverordnung
Die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Ausweisung von mit Nitrat belasteten und eutrophierten Gebieten (AVV Gebietsausweisung – AVV GeA) konkretisiert die Vorgaben der geänderten Düngeverordnung (DüngeVO), die ein wesentlicher Bestandteil des deutschen Aktionsprogramms zur Umsetzung der EU-Nitratrichtlinie ist, erläuterte das Ministerium. Die Neufassung sowie die Neuausweisung der belasteten Gebiete nach Anpassung der jeweiligen Landesdüngeverordnungen seien die Basis, um das laufende Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland einzustellen.
Nach Überprüfung der Landesverordnungen und der darauf basierenden Gebietsausweisungen in den Ländern forderte die EU-Kommission im Juni 2021 erneut deutliche Nachbesserungen. Dies betraf vor allem die Ausweisung der belasteten Gebiete, deren Flächenumfang sich gegenüber der ursprünglichen Ausweisung durch die emissionsbasierte Modellierung im Jahr 2019 enorm verkleinert hatte.
Deutschland drohen im Falle einer weiteren Verurteilung nach Angaben des Ministeriums Strafzahlungen in Höhe eines Pauschalbetrages von mindestens elf Millionen Euro und eines Zwangsgeldes von bis zu rund 800.000 Euro täglich – rückwirkend ab dem ersten Urteil von 2018.
Niedersachsen: Bund schafft
endlich Klarheit
Die niedersächsische Landwirtschaftsministerin Barbara Otte-Kinast (CDU) und Umweltminister Olaf Lies (SPD) haben es begrüßt, dass der Bund endlich Klarheit schaffe und das nun sehr lange andauernde Verfahren zu einem absehbaren Ende komme. Der Zeitplan bis Ende Juni sei straff, aber damit könne gemeinsam mit dem Bund nun mit der Arbeit begonnen werden, um ein weiteres Verfahren durch die EU abzuwenden. Es sei positiv, dass die Kulisse insgesamt nur geringfügig größer geworden sei.
Länderermächtigung notwendig
Aus Sicht von Umweltminister Olaf Lies müsse der Bund den Ländern nun perspektivisch über eine Änderung der Düngeverordnung eine entsprechende Länderermächtigung erteilen, um Maßnahmen zielgerichtet und verursachergerecht umsetzen zu können. „Wir müssen zu einem echten Verursacherprinzip kommen. Dann wird es uns auch gelingen, beide Ziele zusammen zu bringen: der Schutz unseres Grundwassers und den Erhalt der Landwirtschaft. Wer wenig düngt, darf nicht mit abgestraft werden“, sagte Lies. Pauschale, weitreichende Einschränkungen der Bewirtschaftung in den roten Gebieten seien nicht gerecht. Länder wie Niedersachsen, die bereits ein differenziertes System vorweisen könnten, müssten über die Bundesgesetzgebung Möglichkeiten eingeräumt werden, von den Bundesregelungen abzuweichen.
Otte-Kinast erklärte, mit ENNI stehe in Niedersachsen ein bundesweit einmaliges Meldeprogramm zur Verfügung, das den Nährstoffverbrauch und den Düngebedarf völlig transparent mache. Eine Überführung dieses erfolgreichen Systems in das Bundesrecht wäre angemessen. Auf die Landwirte komme jetzt eine erneut veränderte Ausweisung der roten Gebiete zu, da die Europäische Kommission die Forderung weiterhin aufrechterhalte, dass alle roten Messstellen in roten Gebieten liegen müssen. Betroffene Betriebe müssten sich darauf einstellen, dass auf diesen Flächen weiterhin Einschränkungen bei der Düngung kommen.
Bis 2024 soll das Messstellennetz in Niedersachsen den Angaben zufolge so ausgebaut werden, dass es die neuen Anforderungen erfüllt. Ziel sei eine höhere Messstellendichte, um ausreichend Messdaten für ein dann bundeseinheitliches Verfahren zur Verfügung stellen zu können.