Trotz jahrzehntelanger Forschung sei nicht bekannt, wie sich die Niederschläge in den kommenden Jahren entwickeln werden, und schwere Überschwemmungen sowie lang anhaltende Dürreperioden fielen bereits jetzt anders aus als erwartet, teilte das Max-Planck-Institut für Meteorologie mit.
In einer Veröffentlichung, die in der Fachzeitschrift „Nature Climate Change“ veröffentlicht wurde, argumentieren die Wissenschaftler*innen, dass Lösungen zwar vorhanden seien, aber eine verstärkte und strategische internationale Zusammenarbeit erforderlich sei, um Durchbrüche in der Datenverarbeitung wirksam einsetzen zu können und wesentlich fortschrittlichere Klimamodelle zu entwickeln.
„Die Grundlage, auf der die Klimamodelle in den letzten 30 Jahren aufgebaut wurden, vereinfacht die wasserführenden Systeme stark“, sagte Hauptautorin Julia Slingo vom Cabot Institute for the Environment der Universität Bristol. Es würden einige grundlegende physikalische Aspekte außer Acht gelassen, von denen heute bekannt sei, dass sie für zuverlässige Vorhersagen unerlässlich sind.
„Die Lösung liegt in greifbarer Nähe; wir müssen einen Quantensprung von unseren derzeitigen globalen Klimamodellen auf der 100-Kilometer-Skala zu Modellen auf der 1-Kilometer-Skala machen“, betonte Slingo. Co-Autor Prof. Bjorn Stevens vom Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg, ein Pionier globaler Modelle im Kilometermaßstab, wies darauf hin, dass die wissenschaftliche Grundlage hierfür unbestreitbar ist: „Auf diesen Skalen wird die komplexe Physik von regenführenden Systemen zum ersten Mal richtig dargestellt – mit Folgen, die weit über die Zukunft unseres Wassers hinausgehen und viele Aspekte des Klimawandels betreffen.“
Einsatzfähiges Klimavorhersagesystem im Kilometermaßstab als Ziel
Das internationale Team plädiert für die Schaffung und Bereitstellung von Mitteln für einen Zusammenschluss führender Modellierungszentren, die hochmoderne Exascale-Rechenkapazität nutzen können und eine passende Infrastruktur aufweisen, um die enormen Datenmengen weiterzuverarbeiten. Ziel sei es, ein einsatzfähiges Klimavorhersagesystem im Kilometermaßstab aufzubauen, das allen Nationen dient und ihnen zuverlässige Erkenntnisse über alle Aspekte des Klimawandels liefert, erklärte das Max-Planck-Institut.
„Die große Vision ist die Schaffung eines digitalen Zwillings der Erde, der sich auf diese Vorhersagen stützt. Die europäische Initiative Destination Earth (DestinE) weist hierfür den Weg, aber die Dringlichkeit und die internationale Dimension des Vorhabens erfordern eine noch größere Mobilisierung von Ressourcen und Kollaboration, um zu erreichen, was nötig ist“, sagte Co-Autor Peter Bauer, ein Leiter von DestinE und leitender Wissenschaftler am European Centre for Medium-Range Weather Forecasts (ECMWF).
Überschwemmungen und Dürren gehören zu den kostspieligsten Auswirkungen des Klimawandels, so das Max-Planck-Institut. Veränderungen in der saisonalen Niederschlagsverteilung und natürlichen Variabilität der Niederschläge könnten tiefgreifende Auswirkungen auf viele Lebensräume haben, die wiederum die Ernährungssicherheit, Wassersicherheit, Gesundheit und Infrastrukturinvestitionen bedrohen. Wie wenig jedoch über die Zukunft des Wassers bekannt ist, sei im jüngsten Sachstandsbericht des Weltklimarats IPCC deutlich geworden. Dieser zeige einmal mehr, dass es erhebliche Unsicherheiten in Bezug auf die Veränderungen der Niederschläge gibt, insbesondere auf regionaler und lokaler Ebene.
„Die Welt erlebt Extreme außerhalb der Grenzen derzeitiger Modelle“
„Was wir jetzt brauchen, ist eine ‚Mission für den Planeten Erde‘, die sich mit den Gefahren des Klimawandels befasst und entsprechend gefördert ist“, sagte Professor Tim Palmer, Co-Autor von der Universität Oxford. Die Welt erlebe schon jetzt Extreme, die außerhalb dessen liegen, was die derzeitigen Modelle zeigen können. „Unsere sozialen und wirtschaftlichen Strukturen sind bereits massiv gefährdet“, unterstrich er.
„Die doppelte Zielsetzung von ‚Netto-Null‘ und Klimaresilienz erfordert eine erhebliche Beschleunigung bei der Bereitstellung zuverlässiger und umsetzbarer Klimainformationen, insbesondere für die am stärksten gefährdeten Regionen“, sagte Professor Thomas Stocker, Universität Bern, Co-Autor und ehemaliger Vorsitzender der Arbeitsgruppe I des Weltklimaberichts IPCC AR5. Die derzeitigen Klimamodelle könnten dies nicht leisten.
Co-Autor Prof. Georg Teutsch vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Leipzig, der eine der größten Forschungsinitiativen zur Klimaanpassung in Europa leitet, ist sich dieser Problematik bewusst. „Wir verfügen heute über sehr detaillierte und ausgefeilte Klimafolgen-Modelle, aber uns fehlen die detaillierten Wetter- und Wasserinformationen, um sie anzutreiben. Solange diese Lücke nicht geschlossen ist, können wir keine verlässlichen Anpassungsentscheidungen treffen“, sagte Teutsch.
Der führende Hydrologe und Co-Autor Prof. Paul Bates, ebenfalls Cabot Institut, stellt fest: „Die vorgeschlagene Investition verblasst im Vergleich zu den klimabedingten Verlusten, die auch heute schon auftreten. Sie macht etwa 0,1 Prozent der geschätzten jährlichen Kosten hydrologischer Extremereignisse aus – ohne dabei die verlorenen Menschenleben zu berücksichtigen. Diese Kosten werden mit dem fortschreitenden Klimawandel noch weiter steigen“, machte er deutlich.