Bei der Teilung eines Grundstücks war aus einem nicht bebauten Teil des Grundstücks ein neues Flurstück gebildet worden, das der Sohn des Eigentümer-Ehepaars als Schenkung erhielt. Dieser errichtete auf dem Grundstück Mitte der 80er Jahre ein Wohnhaus, heißt es in dem Urteil zum Sachverhalt. Das Wohnhaus des Sohnes erhielt keine eigenständige Wasserversorgung; vielmehr wurde die Frischwasserleitung für dieses Wohnhaus an die Wasserversorgung in dem älteren Haus angeschlossen, das sich damals noch im Eigentum des Ehemannes befand. Eine Absicherung der Wasserversorgung im Grundbuch fand nicht statt.
Der Sohn verkaufte 1992 das mit einem Wohnhaus bebaute Grundstück an die Kläger, wobei das Wohnhaus im Text des Kaufvertrages nicht erwähnt wurde. Der Kaufvertrag enthielt auch keine Regelung und keine Hinweise zur Frischwasserversorgung, die über das andere Grundstück verlief. Nach dem Tod des Ehemannes der Beklagten machte diese geltend, die Kläger seien verpflichtet, für eine eigenständige Wasserversorgung zu sorgen, unabhängig vom Anschluss an die Wasserversorgung auf dem Grundstück der Beklagten.
Das Landgericht urteilte, die Wasserleitungen dürften nicht zum Durchleiten von Wasser genutzt werden. Es gebe keine rechtliche Verpflichtung für die Beklagte, die Wasserzuleitung auf ihrem Grundstück zu dulden, führte das Landgericht aus.
OLG: Keine Pflicht aus Notleitungsrecht, aber aus Gemeinschaftsverhältnis
Dem Urteil des Oberlandesgerichts zufolge ist demgegenüber die beklagte Eigentümerin die dazu verpflichtet, die Wasserversorgung der Kläger durch den Anschluss und die Wasserleitungen auf ihrem Grundstück zu dulden. Zwar bestehe kein Anspruch auf Duldung der Nutzung der Wasserleitung aus dem Notleitungsrecht nach § 917 BGB. Die Beklagte sei aber – entgegen der Auffassung des Landgerichts – zur Duldung der Frischwasserleitung für das Grundstück der Kläger unter dem Gesichtspunkt des nachbarrechtlichen Gemeinschaftsverhältnisses verpflichtet.
Eine Duldungspflicht sei dabei nach dem Grundsatz von Treu und Glauben zwingend geboten. Unter Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte der Wasserzuleitung und unter Berücksichtigung der Interessen der klagenden Eigentümer einerseits und der beklagten Eigentümerin andererseits wäre es unter den Gesichtspunkten von Treu und Glauben nicht hinnehmbar, wenn die Kläger Frischwasserzuleitung über das Grundstück der Beklagten nicht mehr nutzen dürften, und sich einen eigenen Anschluss an die öffentliche Wasserversorgung verschaffen müssten.
Das Problem der Wasserversorgung des klägerischen Grundstücks sei aufgrund einer Parzellierung der Grundstücke entstanden, die der verstorbene Ehemann der Beklagten vorgenommen hat, stellt das OLG fest. Die Frischwasserzuleitung sei in keiner Weise im Grundbuch oder durch eine schuldrechtliche Vereinbarung abgesichert worden, und auch beim Verkauf des Flurstücks sei das Problem der Wasserversorgung nicht gesehen worden. Ein privatschriftlicher Vorvertrag habe eine Bestätigung des Verkäufers entahlten, dass das Grundstück voll erschlossen sei, was aber rechtlich hinsichtlich der Frischwasserzuleitung unzutreffend sei, da es keine rechtliche Absicherung für die Zuleitung über das Nachbargrundstück gab.
Fehlende Absicherung der Wasserzuleitung ohne rechtliche
Vorkenntnisse nicht zu erkennen
Die Frage, ob den Klägern beim Grundstückserwerb im Jahr 1992 bekannt war, dass die Wasserzuleitung über das Nachbargrundstück führte, ist dem OLG zufolge nicht erheblich. Ohne rechtliche Vorkenntnisse hätten die Kläger die Folgen einer fehlenden rechtlichen Absicherung der Wasserzuleitung über das Nachbargrundstück kaum erkennen können.
Keine nennenswerten Nachteile durch Duldung der bestehenden Wasserleitung
Wie es in dem Urteil weiter heißt, stehen dem erheblichen wirtschaftlichen Nachteil für die Kläger, wenn sie für eine neue Wasserzufuhr sorgen müssten, keine nennenswerten Nachteile für die Beklagte bei Duldung der bestehenden Wasserleitung über ihr Grundstück gegenüber. Es sei davon auszugehen, dass ein Anschluss des klägerischen Grundstücks an die öffentliche Wasserversorgung nur für die Frischwasserzuleitung - dem OLG zufolge wäre eine Wasserleitung über eine Strecke von über 80 Meter erforderlich - mindestens 40.000 Euro kosten würde.
Nachteile für die Nutzung ihres Grundstücks oder für die Möglichkeiten ergänzender Baumaßnahmen auf ihrem Grundstück habe die Eigentümer nicht vorgetragen. Sollten sich in der Zukunft bei einer bestimmten Baumaßnahme auf dem Grundstück der Beklagten dennoch Probleme ergeben, könne sich die Frage stellen, ob und inwieweit sich die Kläger eventuell mit bestimmten Veränderungen der Leitungsführung auf dem Grundstück der Beklagten einverstanden erklären müssten, heißt es in dem Urteil.
Wasserzuleitung zum Grundstück der Kläger lange Zeit ohne Beanstandungen hingenommen
Für eine Duldungspflicht der Beklagten spreche zudem, dass sie und ihr verstorbener Ehemann für lange Zeit – von 1992 bis 2017 - die Wasserzuleitung zum Grundstück der Kläger ohne Beanstandungen hingenommen hätten. Nach dieser Zeit hätten die Kläger nicht mehr mit Beanstandungen rechnen müssen, zumal sich an den örtlichen Bedingungen und möglichen Nachteilen für die Beklagte nichts geändert habe.
Eine Revision gegen sein Urteil hat das OLG nicht zugelassen.