Gegenstand des Popularklageverfahrens sind die Regelungen der Art. 24 Abs. 4 und Art. 94 Abs. 4 der Gemeindeordnung (GO), erläutert der Verfassungsgerichtshof. Sie betreffen den Einsatz und den Betrieb elektronischer Wasserzähler durch gemeindliche Einrichtungen der Wasserversorgung und durch Wasserversorgungsunternehmen in Privatrechtsform, an denen die Gemeinde beteiligt ist. Danach können gemeindliche Wasserversorgungsunternehmen in Satzungen über den Anschluss- und Benutzungszwang zum Einsatz und Betrieb elektronischer Wasserzähler mit oder ohne Funkmodul berechtigt werden. Dazu sind Regelungen zufolge zur Datenspeicherung und -verarbeitung zu beachten, führt der dem Verfassungsgerichtshof aus.
Verein sieht „funktechnischen
Lauschangriff“ in der Wohnung
Der Antragsteller ist ein eingetragener gemeinnütziger Verein mit Sitz in Hessen, der sich nach eigenem Vorbringen gegen die Auswirkungen der Mobilfunktechnik und anderer elektromagnetischer Felder auf die menschliche Gesundheit und die Natur wendet, führt der Verfassungsgerichtshof aus. Nach Auffassung des Vereins verletzen die angegriffenen Regelungen Grundrechte der Bayerischen Verfassung, insbesondere die Unverletzlichkeit der Wohnung, das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und das Recht auf körperliche Unversehrtheit. Die Vorschriften schafften die gesetzlichen Voraussetzungen für einen „funktechnischen Lauschangriff“ in der Wohnung. Der Einsatz der Funkwasserzähler ermögliche das Auslesen der Daten außerhalb der Wohnung, ohne dass die Verbraucher davon etwas mitbekämen. Die gesundheitlichen Beeinträchtigungen in ihrer Langzeitwirkung seien noch weitgehend unerforscht.
Verfassungsgerichtshof weist Klage ab
Der Verfassungsgerichtshof, der auch darauf hinweist, dass der Bayerische Landtag und die Bayerische Staatsregierung die Popularklage für unbegründet halten, hat die Klage abgewiesen. Bei der Bewertung sei davon auszugehen, dass die angegriffenen Vorschriften der GO den Einsatz und Betrieb elektronischer Wasserzähler mit oder ohne Funkmodul nur partiell regeln, heißt es in der Entscheidung. Anforderungen an die Geräte und an den Datenschutz im Zusammenhang mit ihrer Verwendung seien daneben in anderen Rechtsnormen festgelegt, wie z. B. dem Mess- und Eichgesetz, der Verordnung über Heizkostenabrechnung und der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). Die beanstandeten Bestimmungen der GO treten zu diesem bestehenden Regelwerk ergänzend hinzu.
Grundrecht auf Unverletzlichkeit
der Wohnung nicht verletzt
Das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung werde nicht verletzt. Das Anbringen des Zählers erfordere nur ein kurzzeitiges Betreten durch die beauftragten Personen und sei mit dem Wohnungsinhaber abzustimmen. In aller Regel sei dazu auch kein Betreten der Wohnräume erforderlich, da die Zähler normalerweise im Keller oder im Hauswirtschaftsraum angebracht würden. Ihr Einsatz dient neben der Erleichterung der Gebührenabrechnung auch dem Schutz der Trinkwasserhygiene und damit dem Schutz von Leben und Gesundheit der Bevölkerung.
Verkeimungen und Verschmutzungen
frühzeitig zu unterbinden
Denn mit Alarmmeldungen könnten aus hygienischer Sicht problematische Wasserrückflüsse in das Leitungssystem und ähnliche Ereignisse schneller lokalisiert und behoben werden als dies mit herkömmlichen Wasserzählern möglich wäre, führt der Verfassungsgerichtshof aus. Dadurch könnten etwa Verkeimungen und Verschmutzungen frühzeitig unterbunden werden. Dass der zum Schutz dieser hochrangigen Rechtsgüter verpflichtete Gesetzgeber dem Wohnungsinhaber entsprechende Duldungspflichten auferlege, sei daher verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
Datenspeicherung auf Erfüllung
der Pflichtaufgabe der
Wasserversorgung beschränkt
Auch das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung wird der Entscheidung zufolge nicht verletzt. Der Einsatz elektronischer Wasserzähler diene insbesondere dem Schutz der Trinkwasserhygiene, erleichtere die Abrechnung und erhöht auch für den Anschlussnehmer die Transparenz. Die Datenspeicherung und -verarbeitung sei ausdrücklich auf den Umfang beschränkt, der notwendig sei, um die Pflichtaufgabe der Wasserversorgung zu erfüllen und die Betriebssicherheit und Hygiene der gesamten Wasserversorgungseinrichtung zu gewährleisten.
Die erfassten Daten werden nicht heimlich erhoben und weisen keine gesteigerte Persönlichkeitsrelevanz auf, führt der Verfassungsgerichtshof aus. Die Zweckbindung der Datenverarbeitung sei in der GO ausreichend klar festgelegt, und daneben gelten die Bestimmungen der Datenschutz-Grundverordnung. Das zeitlich begrenzte, ansonsten voraussetzungslose Widerspruchsrecht ermögliche es den Berechtigten nach der Gemeindeordnung zudem, den Betrieb eines elektronischen Wasserzählers unter Verwendung der Funkfunktion und damit die Datenübertragung über das Funkmodul abzuwenden.
Keine relevanten Einwirkungen
auf menschliche Gesundheit
Auch einen Eingriff in das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit kann der Verfassungsgerichtshof nicht erkennen. Nach den vorliegenden Erkenntnissen sei nicht feststellen, dass von elektronischen Funkwasserzählern relevante Einwirkungen auf die menschliche Gesundheit oder auf das psychische Wohlbefinden ausgehen. Die von den Zählern ausgehende elektromagnetische Strahlung sei deutlich geringer als bei der Nutzung eines Mobiltelefons. Nochmals geringer sei die tatsächlich auf Menschen einwirkende Strahlungsleistung. Funkwasserzähler befinden sich in der Regel in abgeschirmten, von Personen nur selten betretenen oder genutzten Bereichen des Anwesens und sendeten nicht dauerhaft, sondern nur mit einer kurzen Sendedauer bei geringer Sendeleistung, stellt der Verfassungsgerichtshof fest.