Demnach macht der Klimawandel mit zunehmender Trockenheit, weniger Niederschlag und vermehrtem Wasserbedarf in der Landwirtschaft unserem Grundwasser zu schaffen. In Deutschland und weltweit führe er regional zu sinkenden Grundwasserständen. Sei der unterirdische Wasserpegel niedrig, gelange belastetes Oberflächenwasser aus Bächen und Flüssen vermehrt ins Grundwasser. Als Folge seien das Trinkwasser und die Grundwasserökosysteme gefährdet, und das Mengenproblem werde damit auch zu einem Güteproblem.
Klimafolgenspirale beginnt, sich immer schneller zu drehen
„Wir sehen hier eine direkte Folge des Klimawandels, wodurch unsere wichtigste Wasserressource – das Grundwasser – gefährdet ist“, unterstreicht Hans Jürgen Hahn von der Universität Koblenz-Landau, einer der Autor*innen der Studie. In vielen Gegenden weltweit sinke der Grundwasserspiegel zunehmend, da auch die Neubildungsrate von Grundwasser abnehme. Gleichzeitig stiegen die Grundwasserentnahmen durch die landwirtschaftliche Bewässerung und für die Trinkwasserversorgung. Das habe eine zusätzliche Absenkung der Grundwasserstände zur Folge, und der Landschaftswasserhaushalt ändere sich – die Klimafolgenspirale beginne, sich immer schneller zu drehen.
„Wir stehen dadurch vielerorts an einem Kipppunkt im Landschaftswasserhaushalt“, erklärt Mitautorin Anke Uhl vom Arbeitskreis Quellen und Grundwasser der Deutschen Gesellschaft für Limnologie. Anders als bisher drücke das Grundwasser durch den gesunkenen Grundwasserstand an vielen Stellen nicht mehr nach oben und speise Bäche und Flüsse (Exfiltration), sondern das Wasser der Fließgewässer versickert nun in den Untergrund (Infiltration). Als Folge dieser Druckumkehr können Schadstoffe ins unterirdische Nass eindringen. Denn in den Bächen und Flüssen fließen nicht nur Regen- und Quellwasser, sondern auch die Abläufe von Kläranlagen. „Wir reichern das Grundwasser zunehmend mit Abwasserinhaltsstoffen an – mit Resten von Medikamenten, Haushaltschemikalien, künstlichen Süßstoffen und anderen Schadstoffen“, erklärt Christian Griebler von der Universität Wien.
Umkehr der Fließrichtung zwischen Oberflächenwasser und Grundwasser trocknet Feuchtgebiete aus
Ein weiterer Aspekt ist nach Angaben der Forschenden, dass durch die Umkehr der Fließrichtung zwischen Oberflächenwasser und Grundwasser die Feuchtgebiete austrocknen. „Da alle aktuellen Studien in großen Teilen der Erde weitere Rückgänge der Grundwasserstände vorhersagen, wird sich das Problem in Zukunft noch weiter verstärken. Dadurch werden wir vor allem in den zunehmend trockenen Sommern damit konfrontiert werden“, unterstreicht Petra Döll von der Goethe-Universität Frankfurt am Main.
Ihre Schlussfolgerungen stützen die Forschenden auf eine weltweite Literaturstudie zu den Folgen des Klimawandels, den Auswirkungen von Grundwasserentnahme auf diese Ressource sowie auf Fachartikel zu neuen Schadstoffen im Grundwasser. „Diese Zusammenhänge sind naheliegend, bislang hatte sie die Wissenschaft aber noch nicht auf dem Radar“, ordnet Markus Weiler von der Universität Freiburg das Gewicht der Studienergebnisse ein.
Konzepte an die Gegebenheiten vor Ort anpassen
Der Klimawandel findet regional unterschiedlich statt. Dabei variieren die Niederschläge, die Grundwasserneubildung und die Menge der Grundwasserentnahme je nach Gebiet wie auch die Ausprägung der Wechselwirkung zwischen Oberflächenwasser und Grundwasser – die hydrogeologischen Verhältnisse. So sind der Studie zufolge in Österreich insbesondere der Osten, Nordosten und Südosten betroffen. Die in Deutschland beeinträchtigten Gebiete sind übers Bundesgebiet verteilt: Unter anderem seien die Regionen Oberrhein, Mittelfranken, Allgäu, östliches Niedersachsen, westliches Nordrhein-Westfalen und Südhessen betroffen sowie große Teile der neuen Bundesländer.
„Die Studie zeigt vor allem auch, dass wir neue wissenschaftliche Ansätze und Modelle auf regionaler und lokaler Ebene brauchen, um die Wechselwirkungen zwischen Oberflächenwasser und Grundwasser und vor allem die Kipppunkte im Landschaftswasserhaushalt zu ermitteln“, erklärt Markus Noack von der Hochschule Karlsruhe. Klar werde auch, dass das Oberflächenwasser weiter vor Verschmutzung geschützt werden muss. Denn der Zustand der oberirdischen Gewässer habe direkte Konsequenzen für die Qualität des Grundwassers. Zur Minimierung von Schadstoffen im Wasserkreislauf gebe es eine Lösung: „Es ist höchste Zeit, den Wasserverbrauch industriell wie privat zu senken, um weniger Grundwasser fördern zu müssen. Zusätzlich ist es wichtig, den Eintrag langlebiger Schadstoffe in den Wasserkreislauf drastisch zu reduzieren und vierte Reinigungsstufen in Kläranlagen konsequent ausbauen“, so Anke Uhl.